Ledwina by Annette von Droste-Hülshoff

Ledwina by Annette von Droste-Hülshoff

Autor:Annette von Droste-Hülshoff [Droste-Hülshoff, Annette von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


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»Was sagen Sie zu dem Kranken?« fragte Frau von Brenkfeld den wieder Hereintretenden. Der Doktor Toppmann langte langsam seinen Hut vom Spiegeltische neben den Blumentöpfen, und putzt bedächtlich ein wenig Blütenstaub[302] mit dem Ärmel herab. Dazu sagte er: »Nicht viel; ich kenne seine Konstitution zu wenig, und ich kann nicht mit ihm sprechen, da er ganz irre ist.« – »Mein Gott, seit wann?« rief Frau von Brenkfeld; »davon weiß ich ja nichts.« – »Es soll auch früher nicht gewesen sein«, entgegnete der Doktor, »erst seit er jetzt erwacht ist.« – »Das ist ja höchst traurig«, versetzte Frau von Brenkfeld heftig, »er wird doch, um Gottes willen, nicht gar sterben können?« Der Doktor Toppmann schnitt seine seltsamsten Gesichter und sagte: »Wir können alle sterben; übrigens muß man so etwas nicht eher denken, bis das Gegenteil unmöglich ist.« – »Keineswegs«, fiel Therese ein, »ich bitte sehr, täuschen Sie uns hierin nicht.« Toppmann kniff das linke Auge zu und fragte: »Warum denn das?« – »Man ist doch sorgsamer«, versetzte Therese; »man weiß doch auf jeden Fall, was man zu tun hat.« – »Was hat man denn zu tun?« fragte Toppmann. »Ach Gott«, entgegnete Therese, »wir haben noch tausend andre Gründe, bleiben Sie doch bei der Sache!« Toppmann schwieg ein Weilchen, dann sagte er ernst und zu allen Anwesenden gewandt: »Ich weiß, Sie werden nichts versäumen, was in Ihren Kräften und Wissen steht; deshalb halten Sie die Stube kühl, aber vor allem ohne Zugwind, und sorgen Sie ja, daß die Arznei ordentlich genommen wird; auch darf der Patient vorerst nicht allein gelassen werden. Morgen früh komme ich wieder, wenn nichts Besonderes früherhin vorfällt.« Er machte eine Verbeugung und wollte fortgehn, dann wandte er sich um und sagte: »Notabene, nähern Sie sich ihm nicht mehr als unumgänglich nötig, die Sache könnte leicht nervös sein.« Er verbeugte sich nochmals und ging hinaus.

Karl sagte: »Ich glaube, ich kann mich gelegentlich noch jedes Worts erinnern, was ich den Toppmann mein lebelang habe reden hören, das macht das unvergeßliche Mienenspiel, dem die Worte wie angegossen sind, oder vielmehr umgekehrt.« – »Er redet wohl auch überall sehr wenig«, versetzte die Mutter, »heute war er nach seiner Art recht los.« – »Therese hat ihn auch ehrlich geschraubt«, entgegnete Karl und[303] sah nach Theresen, die eben mit den Zeichen der äußersten Unruhe das Zimmer verließ. Karl fuhr fort: »Ich habe mir mal eine Sammlung von den verschiedenen Abarten seines Grundgesichts machen wollen, vorzeiten, eh ich nach Göttingen ging, und machte deshalb einen Strich auf ein dazu bestimmtes Papier, sooft ich etwas Neues zu entdecken glaubte, verwirrte mich jedoch dermaßen, daß ich es nur bis auf etwa vierzig bringen konnte, und ich muß gestehn, daß dies scharfe Merken auf allerhand Verzerrungen in Phantasie und Wirklichkeit, dem ich mich hiedurch nach und nach mit wahrer Leidenschaft ergab, mir endlich anfing eine Schwäche und solche dumpfe Zersteutheit zuzuziehn, daß ich dies für eine der gefährlichsten Beschäftigungen halte. Ich begreife nur nicht, wie die Karikaturmaler vor dem Tollhause vorbeikommen.«

»Es ist eine alte Erfahrung«, versetzte Frau von



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